Leitfaden
zur Durchführung einer Conjoint-Analyse im Bibliothekskontext
Der folgende
Leitfaden möchte Ihnen in sieben Schritten die wichtigsten
Aspekte erläutern, die bei der Durchführung einer Conjoint-Analyse
im Bibliothekskontext zu beachten sind. Wir haben uns bemüht,
die einzelnen Schritte kurz und leicht verständlich darzustellen.
Die Ausführungen wurden zusätzlich mit Links zu weiterführenden
Ressourcen (Ideen-Datenbank, Download von Beispieldateien etc.)
versehen. Insoweit versteht sich der vorliegende Leitfaden als ein
erster, einfacher Einstieg in die Welt der Conjoint-Analyse, der
jedoch durch entsprechende Verlinkungen die Möglichkeit bietet,
sich auf die konkrete Durchführung einer Conjoint-Analyse-Studie
mit allen erforderlichen Details vorzubereiten. Sie haben darüber
hinaus auch die Möglichkeit, persönlich mit uns in Kontakt
zu treten, um weiterführende Fragen zu klären.
1.
Zielsetzung der Untersuchung
Wichtig ist
zunächst einmal die Frage der Eignung dieser Marktforschungsmethode
für die von Ihnen verfolgte Fragestellung. Im vorliegenden
Fall geht es nicht um die Überprüfung der Nutzerzufriedenheit
in Bezug auf bereits bestehende Dienstleistungen, sondern um die
zukunftsgerichtete Abfrage von Nutzerpräferenzen in Bezug auf
die in der Untersuchung präsentierten Serviceangebote: Welche
der Services sind also eher gewünscht als andere und sollten
in Zukunft angeboten werden? Da diese Fragestellung in die Zukunft
zielt, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es keinen
Sinn macht, in der Befragung lediglich die bestehenden Bibliotheksservices
zu berücksichtigen. Es geht schließlich um eine Verbesserung
des Servicespektrums durch die Implementierung neuer Dienstleistungen.
Aber: Es kann natürlich sehr wohl Sinn machen, gerade den Vergleich
zwischen bereits bestehenden und völlig neuen Services zu wagen.
Betrachten wir z.B. den Bereich der Orientierung und Benutzerführung
in einer Bibliothek. Hier wäre es u.U. interessant, neue mögliche
Services in diesem Bereich (z.B. in Form eines interaktiven Leitsystems
oder einer verbesserten Beschilderung) als Alternativen gegenüber
dem derzeitigen Ist-Zustand anzubieten. Bei einer Conjoint-Analyse
gemäß der ProSeBiCA zugrunde liegenden Konzeption entspricht
ein Dienstleistungsbereich einem Merkmal des Gesamtdienstleistungsangebots
einer Bibliothek. Ein solches Merkmal kann z.B. die erwähnte
Orientierung/Benutzerführung sein oder aber auch die Buchrückgabe
oder die Artikel-Fernleihe. Jedes einzelne Merkmal kann dabei auf
unterschiedliche Art und Weise realisiert werden. Diese unterschiedlichen
Varianten/Formen eines Merkmals bezeichnet man als Ausprägungen
des Merkmals. Ziel ist es, den „tatsächlichen“
Nutzenbeitrag der einzelnen Merkmalsausprägungen (hier: Teilnutzenwert)
im Hinblick auf den Nutzen der Bibliotheksleistungen als Ganzes
zu bestimmen. Also:
Merkmal
= Dienstleistung(sbereich)
Ausprägungen = Unterschiedliche Varianten/Formen
eines Merkmals
Teilnutzenwerte = Nutzen, den die einzelnen Ausprägungen
eines Merkmals dem Probanden spenden
2. Festlegung der Merkmale und Merkmalsausprägungen
Die oben dargestellte
Ausrichtung auf die zukünftige Angebotsstruktur der Bibliothek
setzt voraus, dass man die „richtigen“ Services identifiziert
hat, die zukünftig für Bibliotheken von Interesse sein
oder sogar Standard werden könnten. Hierzu ist es erforderlich,
diese neuen Möglichkeiten, Trends, technischen Neuerungen etc.
im Vorhinein zu identifizieren. Für diesen Prozess der Ideengenerierung
bieten sich folgende Scanning-Möglichkeiten an:
- Workshops
mit Bibliotheksmitarbeitern zur Identifikation und/oder Entwicklung
neuer Services
- Sichtung von
Fachzeitschriften, Mailing-Listen, Internetseiten, Datenbanken etc.
aus dem informationstechnologischen oder bibliothekarischen Umfeld
- Sichtung von
strategischen Positionspapieren größerer Bibliotheken
Um den Aufwand
für den Prozess der Ideengenerierung auf einem vertretbaren
Niveau zu halten, empfiehlt sich die Suche in der hierfür auf
dieser Website angebotenen Serviceideen-Datenbank.
Sie enthält die 260 in der Anfangsphase des Projekts ProSeBiCA
zusammengetragenen oder selbst entwickelten Ideen sowie die neueren
Ideen anderer Arbeitsgruppen. Wir würden uns freuen, wenn Sie
Serviceideen, die Sie hier bisher nicht vorgefunden haben, aber
für relevant erachten, auch anderen Nutzern zur Verfügung
stellen würden, indem Sie Ihren Vorschlag mittels des hierfür
ebenfalls bereitgestellten Eingabeformulars in die Ideen-Datenbank
einbringen.
In der nachfolgenden
Abbildung sind – in exemplarischer Weise – vier Merkmale
und deren mögliche Ausprägungen aus einer Conjoint-Befragung
an öffentlichen Bibliotheken (siehe
Decker, Hermelbracht, Klocke (2005)) dargestellt. Dieses mittels
einer traditionellen Conjoint-Analyse bearbeitete Beispiel berücksichtigt
lediglich eine vergleichsweise kleine Anzahl an Merkmalen und Ausprägungen.
Im Rahmen des ProSeBiCA-Projekts wurden hingegen Conjoint-Analysen
mit bis zu 10 Merkmalen und teilweise 6 - 7 Ausprägungen durchgeführt.
Bestimmte Varianten der Conjoint-Analyse erlauben die gleichzeitige
Betrachtung von bis zu 30 Merkmalen. Insofern betrifft der nächste
Schritt, sprich die Auswahl des Conjoint-Analyse-Verfahrens, zumindest
indirekt auch die Wahl der einzusetzenden Analyse-Software.
3. Auswahl des Conjoint-Analyse-Verfahrens und der Software
Wenn die Inhalte
der Befragung feststehen, muss die Entscheidung über das einzusetzende
Conjoint-Analyse-Verfahren getroffen werden. Dem Anwender steht
hier eine Fülle an Verfahrensvarianten zur Verfügung,
wobei sich in der Praxis nur wenige auf breiter Basis durchgesetzt
haben. Drei der etablierteren Verfahren werden im Folgenden kurz
vorgestellt.
Um die Auswahlentscheidung
in Bezug auf das anzuwendende Verfahren treffen zu können,
ist es zunächst einmal wichtig, sich über den notwendigen
Umfang der Untersuchung bzw. die Anzahl der zu integrierenden Merkmale
und Merkmalsausprägungen klar zu werden. Sind nur wenige Merkmale
(bis zu sechs) zu betrachten, so kann die traditionelle Conjoint-Analyse
(TCA) oder aber auch die Choice-Based Conjoint-Analyse (CBC) zur
Anwendung kommen. Werden dagegen viele (d.h. mehr als sechs) Merkmale
betrachtet, so stößt die TCA an die Grenzen einer effizienten
Nutzung. Für die Behandlung solcher Analysekonstellationen
hat sich die Adaptive Conjoint-Analyse (ACA) durchgesetzt. Neuere
Entwicklungen der Conjoint-Analyse konzentrieren sich auf die Integration
von Auswahlinformationen und die Unsicherheit bei der Schätzung
der Teilnutzenwerte. Die CBC kann auch noch für bis zu 10 Merkmale
mit jeweils bis zu 5 Ausprägungen empfohlen werden. Der Messvorgang
impliziert hier die Beantwortung entsprechender Auswahlfragen, auf
deren Basis dann wieder die Teilnutzenwerte bestimmt werden. Im
ProSeBiCA-Projekt wurde die ACA für die Bewertung von insgesamt
37 Merkmalen mit insgesamt 117 Ausprägungen, die aus den entsprechenden
Berichten (ACA-Bielefeld
und ACA-Cottbus)
ersichtlich sind, für die kurz- und mittelfristige (operative)
Planung des Leistungsangebots der betreffenden Bibliotheken benutzt.
Für die Optimierungsüberlegungen auf strategischer Ebene
kam hingegen die CBC zum Einsatz, und zwar mit insgesamt sechs Merkmalen
und 16 Ausprägungen (siehe CBC-Bericht).
Bei der oben erwähnten Studie an öffentlichen Bibliotheken
kam (wie bereits erwähnt) die TCA mit vier Merkmalen und insgesamt
10 Ausprägungen zur Anwendung.
Mit der Auswahl
des Conjoint-Analyse-Verfahrens hängen auch verschiedene Entscheidungen
in Bezug auf die weiteren Ablaufschritte der Conjoint-Analyse, respektive
die Wahl des Präferenzmodells, des Erhebungsdesigns und des
Befragungsmediums zusammen. Da sich der Anwender mit vielen dieser
Einzelschritte nicht unmittelbar beschäftigen wird, werden
sie hier nicht näher thematisiert. Jedem an einer Conjoint-Analyse
Interessierten ist im Vorfeld die Auseinandersetzung mit einführender
Conjoint-Literatur zu empfehlen (z.B. die entsprechende Darstellung
in Backhaus, Erichson, Plinke, Weiber (2006): Multivariate Analysemethoden,
11. Aufl., Berlin, Springer).
Für die
effiziente praktische Durchführung einer Conjoint-Analyse ist
die Verfügbarkeit einer geeigneten Software mit einem entsprechenden
Funktionsapparat erforderlich. Im Projekt ProSeBiCA wurden z.B.
für die ACA und die CBC die betreffenden Software-Module der
Firma Sawtooth Software Inc. eingesetzt. Daneben besteht natürlich
generell die Möglichkeit, die Durchführung der Untersuchung
bei einem Marktforschungsunternehmen mit Conjoint-Expertise in Auftrag
zu geben. In diesem Fall entfällt der Erwerb einer eigenen
Conjoint-Software-Lizenz. Auch für die Durchführung einer
TCA werden von verschiedenen Firmen einschlägige Softwarelösungen
angeboten. Die an Hochschulen häufig im Rahmen von Landeslizenzen
verfügbaren statistischen Software-Pakete (z.B. SPSS und SAS)
bieten teilweise ebenfalls Conjoint-Module an. Über die genannten
Alternativen hinaus ist es auf jeden Fall ratsam, sich auch über
andere, aktuelle Entwicklungen auf dem Markt zu informieren.
4.
Durchführung der Befragung
Hat man sich
für ein Conjoint-Analyse-Verfahren entschieden, so kann die
Implementierung und Durchführung der Befragung in Angriff genommen
werden. Grundsätzlich kommen hier zwei alternative Formen der
Durchführung in Frage, nämlich über die Internetseite
der Bibliothek in Form einer Online-Befragung oder aber in Form
eines konventionellen, gedruckten Fragebogens. Hat man sich für
die Durchführung einer ACA entschieden, so kommt aufgrund der
Adaptivität des Verfahrens, die in der laufenden Anpassung
der jeweils nächsten Fragen an das Antwortverhalten der Befragten
zum Ausdruck kommt, faktisch nur die Online-Variante in Frage. Bei
ProSeBiCA wurde für die ACA das entsprechende Modul von Sawtooth
Software eingesetzt. Dieses bietet eine ganzheitliche Plattform
zur Durchführung von Online-Befragungen, wodurch sich die zusätzliche
Programmierung eines Online-Fragebogens erübrigt. Eine allgemeine
Beschreibung des Ablaufs einer ACA, wie sie im Kontext des ProSeBiCA-Projekts
zum Einsatz kam, kann unter folgendem Link
eingesehen werden. Die nachfolgende Abbildung gibt einen Screen-Shot
aus der ACA-Befragung an der Universität Bielefeld im Rahmen
des ProSeBiCA-Projektes wieder. Ein exemplarischer Datensatz, der
bei Verfügbarkeit der ACA-Software als erste Orientierungshilfe
verwendet werden kann, kann interessierten Bibliotheken auf Anfrage
(Kontakt) zugesandt werden.
Auch eine CBC-Befragung
kann sowohl online als auch papiergestützt durchgeführt
werden. Für ProSeBiCA wurde auf Basis der lizenzierten Sawtooth
Software eine komplett computergestützte Lösung gewählt,
die sich von der Erstellung des Fragebogens über die Durchführung
der Befragung bis zur Auswertung der Ergebnisse erstreckte (Beschreibung
des allgemeinen Ablaufs). Eine im Rahmen des ProSeBiCA-Projektes
eigens erstellte Datei für einen Online-CBC-Fragebogen steht
interessierten Bibliotheken ebenfalls auf Anfrage (Kontakt)
zur Verfügung. Mit dieser wurde auch die folgende CBC-Befragung
erstellt.
Auch eine traditionelle
Conjoint-Analyse (TCA) kann sowohl mittels eines gedruckten Fragebogens
als auch eines Internet-Fragebogens durchgeführt werden. Bei
der Erstellung des Erhebungsdesigns sollte auch hier auf einschlägige
Statistiksoftware zurückgegriffen werden. Im Rahmen der bereits
erwähnten, das ProSeBiCA-Projekt begleitenden Studie am Lehrstuhl
für BWL, insb. Marketing zu öffentlichen Bibliotheken
wurden zur Durchführung der TCA die Software-Pakete SPSS und
SAS eingesetzt. Weiterführende Beschreibungen zur Conjoint-Analyse
sind sowohl für SAS
als auch für SPSS
verfügbar. Für eine Implementierung als Online-Befragung
gelten dann die gleichen Schritte und Anforderungen wie bei jeder
anderen Online-Befragung. Hierbei ist auf eine sichere Speicherung
und Aufbewahrung der erhaltenen Daten zu achten.
5.
Eingabe der Daten
Da die Datenerhebung
im ProSeBiCA-Projekt sowohl für die ACA als auch für die
CBC ausschließlich online erfolgte, konnten die Daten direkt
im benötigten Format für die weiteren Auswertungen vom
Server heruntergeladen werden. Bei einer papiergestützten TCA-
oder CBC-Erhebung müssen die Antworten hingegen entsprechend
eines zuvor festzulegenden Kodierbogens erfasst werden. Eine Datei,
die beispielhafte Daten für die bereits angesprochene TCA-Befragung
an öffentlichen Bibliotheken in SPSS enthält, kann hier
heruntergeladen werden.
6.
Auswertung der Daten
Die Auswertung
der Daten bildet den nächsten Schritt bei der Durchführung
einer Conjoint-Analyse. Die Berechnung der Teilnutzenwerte erfolgte
im ProSeBiCA-Projekt für die ACA mittels SSI Web von Sawtooth
Software und für die CBC mit dem SMRT-Programm sowie dem Programm
für HB-Schätzungen von Sawtooth Software. Für die
TCA im Falle des Beispiels mit den öffentlichen Bibliotheken
kamen die entsprechenden Prozeduren in SPSS und SAS zum Einsatz.
Für alle genannten Software-Lösungen wird in den zugehörigen
Dokumentationen detailliert erklärt, wie die Schätzung
der Teilnutzenwerte im Einzelnen erfolgt und welche Einstellungen
hierbei vorgenommen werden können. Diese teilweise sehr aufwendigen
Erläuterungen sollen im Interesse einer thematischen Fokussierung
des Leitfadens hier nicht noch einmal wiederholt werden.
Im Anschluss
an die Schätzung der Teilnutzenwerte stehen normalerweise individuelle
(d.h. probandenspezifische) Ergebnisse zur Verfügung. Diese
müssen dann für die weiteren Interpretationen in geeigneter
Weise aggregiert werden. Basierend auf den Erfahrungen aus dem ProSeBiCA-Projekt
können wir die Betrachtung von drei Aggregationsebenen empfehlen.
Die empirischen Ergebnisse aus den Befragungen in Bielefeld und
Cottbus sind unter den entsprechenden Verlinkungen im Bereich Ergebnisse
zu finden. Zunächst handelt es sich hierbei um die Aggregation
über alle Probanden hinweg. Zu diesem Zweck können im
einfachsten Fall die Mittelwerte über die einzelnen Teilnutzenwerte
betrachtet werden. Dies liefert erste Informationen über die
Richtung der Antworten und das grundsätzliche Meinungsbild
in Bezug auf die betrachteten Bibliotheksdienste. Ist man darüber
hinaus an Unterschieden zwischen bestimmten, im Voraus festgelegten
Nutzergruppen (sog. "Apriori-Gruppen") interessiert, so
können deren Gruppenmittelwerte zueinander in Beziehung gesetzt
werden. Im ProSeBiCA-Projekt war die Abgrenzung von Studierenden,
Wissenschaftlern und Externen von Bedeutung. Sehr aufschlussreich
ist zumeist auch die Differenzierung von Personengruppen mit ähnlichen
Präferenzen, da diese u.U. gezielt mit entsprechenden Angeboten
angesprochen bzw. für diese sensibilisiert werden können.
Diese so genannte Benefit-Segmentierung musste im vorliegenden Fall
nachträglich in die für die Auswertung herangezogene Software
integriert werden. Das Ergebnis einer solchen Analyse für die
Befragung an öffentlichen Bibliotheken ist der nachfolgenden
Tabelle zu entnehmen. Die einzelnen Gruppen haben nicht nur sehr
unterschiedliche inhaltliche Präferenzen, sondern sind aufgrund
ihrer Größe auch in unterschiedlichem Maße für
die zukünftige Service-Planung von Bedeutung. Ein exemplarischer
SAS-Code für die Durchführung einer Benefit-Segmentierung
kann auf Anfrage (Kontakt) bereitgestellt
werden.
Cluster
1: Traditioneller Nutzer
- Nutzung der Bibliothek zur Literatursuche
und Ausleihe sowie als Lese- und
Kommunikationsraum
- Präferenz für eine gemeinsame
Informationsbeschaffung mit dem Personal
- Bevorzugung von gedruckten Medien
|
Cluster
2: Medien-Allrounder
- Präferierte Nutzung zur Literatursuche und
Ausleihe sowie zusätzlich als Lese-, Lern-
und Arbeitsraum
- Ablehnung einer durch das Bibliotheksper-
sonal gestützten Informationsbeschaffung
- Angebot an gedruckten und nicht
gedruckten Medien von gleicher Bedeutung
|
Cluster
3: Zu-Hause-Leser
- Starke Bevorzugung der Bibliotheksnutzung in
Form der Literatursuche und Ausleihe
- Hohe Präferenz für eine selbstständige
Informationsbeschaffung
- Größere Bedeutung von gedruckten Medien
|
Cluster 4: Vor-Ort-Leser
- Präferenz für die Nutzung der Bibliothek als
Lese-, Lern- und Arbeitsraum
-
Selbstständige Informationsbeschaffung und
gestützte Informationsbereitstellung
- Nicht gedruckte Medien stiften keinen Nutzen
|
7.
Implikationen
Der letzte wesentliche
Schritt einer Conjoint-Analyse besteht in der Ableitung entsprechender
Implikationen. Die Conjoint-Daten können sowohl als Basis für
eine Entscheidung zur Implementierung neuer Services als auch als
Indikator für mögliche zukünftige Problembereiche
dienen. Dabei muss die Entscheidung nicht zwangsläufig immer
zugunsten der Einführung jenes Services führen, der im
Vergleich zu den anderen Alternativen des betreffenden Servicebereichs
am besten bewertet wurde. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch
noch weitere, bei der Präferenzmessung nicht explizit erfasste
Aspekte entscheidungsrelevant sind, etwa die gegenwärtig in
Bezug auf den betreffenden Dienst verfügbaren Ressourcen. Ist
die Implementierung eines bestimmten Services für die Bibliothek
von strategischer Relevanz oder wird die Einführung beispielsweise
aus Kostengründen als notwendig erachtet, so kann die schlechte
Bewertung aber unter Umständen ein gewichtiger Indikator dafür
sein, dass eine Einführung ohne entsprechende Sensibilisierungs-,
Akzeptanzförderungs- oder Werbeaktionen an den Nutzern vorbeigeht
und die Nutzung dementsprechend schlecht ausfallen wird. Eine Conjoint-Analyse
ermöglicht zwar tendenzielle Aussagen über die spätere
Nutzungswahrscheinlichkeit bzw. Akzeptanz eines bestimmten Services,
sie kann dem Bibliotheksmanagement aber nicht die Entscheidung im
komplexen Gesamtprozess der Serviceplanung abnehmen, zumal neben
der – zweifellos wichtigen – Nutzerorientierung in aller
Regel noch weitere kontextabhängige Aspekte in die jeweilige
Entscheidung hineinspielen.
Einige Beispiele
aus den Ergebnissen der Conjoint-Analyse an der Universität
Bielefeld werden nachfolgend skizziert. Sie zeigen exemplarisch
die unterschiedlichen Möglichkeiten der Interpretation und
der praktischen Konsequenzen:
Online-Publishing-Portal:
Das begutachtete Online-Publishing-Portal (mit Peer-Review-Prozess)
und das offene Online-Publishing-Portal (ohne Peer-Review) zeigen
in der Auswertung für alle Respondenten ähnlich hohe Präferenzwerte.
Das Fehlen eines solchen Dienstleistungsangebots (Ausprägung:
Kein Online-Publishing) ist dagegen in der Präferenzfolge weit
abgeschlagen und damit für die Bielefelder Nutzerinnen und
Nutzer keine wirkliche Option. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass
ein solcher Service, wie auch immer er konkret gestaltet wird, von
den Bibliothekskunden nicht nur gewünscht, sondern eigentlich
schon erwartet wird. Damit erfahren die Aktivitäten der Bibliothek
im Bereich der Neuausrichtung Wissenschaftliches Publizieren und
Open Access an dieser Stelle eine deutliche Unterstützung auch
seitens der Bibliotheksnutzer.
Herkömmliche
Schulungen und Online-Tutorials: Beim Merkmal Aus- und
Weiterbildungsveranstaltungen wurden Online-Tutorials am meisten
präferiert, dicht gefolgt von den herkömmlichen Schulungen.
Dieses Ergebnis hat dazu geführt, dass nun neben rein virtuellen
Angeboten (Tutorial zur Online-Recherche) auch eLearning-Module
zur Ergänzung und Unterstützung herkömmlicher Schulungen
entwickelt werden sollen.
Diskussionsräume:
Dem Wunsch nach einer größeren Anzahl an Diskussionsräumen
(Priorität 1) und auch besser ausgestatten Diskussionsräumen
(Priorität 2) innerhalb der Bibliothek wurde entsprochen: Es
konnten seither bereits mehrere neue Diskussionsräume geschaffen
werden. Zwei der bisherigen Diskussionsräume wurden darüber
hinaus in Zusammenarbeit mit dem Hochschulrechenzentrum und dem
Audiovisuellen Zentrum der Universität mit Smartboards ausgestattet.
Mobile
abschließbare Tischapparate: Annähernd gleich
bewertet wie die Ausprägung Lernkabinen und nur übertroffen
vom derzeitigen Standardangebot an Tischarbeitsplätzen sind
die mobilen Tischapparate (letzter Platz: Trennwände zwischen
den Tischen als Compartiments). Die Bewertung zeigt den deutlichen
Wunsch nicht weniger Nutzer nach abschließbaren Arbeitsplätzen
innerhalb der Bibliothek. Die derzeit angebotenen Tischarbeitsplätze
bieten diese Möglichkeit zur Zeit noch nicht, weshalb nun nach
kostengünstigen Möglichkeiten für eine teilweise
zu realisierende Umsetzung gesucht wird. Die Ausstattung muss dabei
nicht flächendeckend erfolgen, da die Untersuchung ergeben
hat, dass nur eine bestimmte Nutzergruppe aus der Gesamtstichprobe
diesen Service präferiert.
eBooks:
Die Bereitstellung von eBooks wurde in der Untersuchung
vergleichsweise gering präferiert. So befindet sich das Angebot
von eBooks bezogen auf alle Nutzergruppen im mittlerem bis unteren
Präferenzbereich der Probanden (die Erweiterung des gedruckten
Medienbestandes sowie die Erweiterung des digitalen Medienbestandes
und die Ausprägung Online Semesterapparate liegen noch vor
der Ausprägung eBooks; Lernsoftware und der Aufbau eines Radioarchives
wurden hingegen weniger präferiert). Die Bereitstellung von
eBooks ist in Bielefeld zwischenzeitlich auf Fakultätswunsch
erfolgt und wird auch seitens der Bibliothek aus strategischen Gründen
und mit Blick auf die informationstechnologische Entwicklung zukünftig
weiter ausgebaut werden. Aufgrund der Ergebnisse der Conjoint-Untersuchung
sollte hier ein verstärkter Einsatz akzeptanzfördernder
Maßnahmen erfolgen.
Wasserspender:
Das sehr gute Abschneiden der alternativen Ausprägung Wasserspender
beim Merkmal Entspannung in der Bibliothek wurde aufmerksam registriert.
Da jedoch im Rahmen einer universitären Umgestaltungsmaßnahme
parallel zur Durchführung der Conjoint-Analyse gerade zwei
Cafes direkt vor den Eingängen der Bibliothek eröffnet
wurden, wurde eine Implementierung von Wasserspendern innerhalb
der Universitätsbibliothek zur Vermeidung eines Überangebotes
vorerst nicht weiter verfolgt.