Leitfaden zur Durchführung einer Conjoint-Analyse im Bibliothekskontext

Der folgende Leitfaden möchte Ihnen in sieben Schritten die wichtigsten Aspekte erläutern, die bei der Durchführung einer Conjoint-Analyse im Bibliothekskontext zu beachten sind. Wir haben uns bemüht, die einzelnen Schritte kurz und leicht verständlich darzustellen. Die Ausführungen wurden zusätzlich mit Links zu weiterführenden Ressourcen (Ideen-Datenbank, Download von Beispieldateien etc.) versehen. Insoweit versteht sich der vorliegende Leitfaden als ein erster, einfacher Einstieg in die Welt der Conjoint-Analyse, der jedoch durch entsprechende Verlinkungen die Möglichkeit bietet, sich auf die konkrete Durchführung einer Conjoint-Analyse-Studie mit allen erforderlichen Details vorzubereiten. Sie haben darüber hinaus auch die Möglichkeit, persönlich mit uns in Kontakt zu treten, um weiterführende Fragen zu klären.


1. Zielsetzung der Untersuchung

Wichtig ist zunächst einmal die Frage der Eignung dieser Marktforschungsmethode für die von Ihnen verfolgte Fragestellung. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Überprüfung der Nutzerzufriedenheit in Bezug auf bereits bestehende Dienstleistungen, sondern um die zukunftsgerichtete Abfrage von Nutzerpräferenzen in Bezug auf die in der Untersuchung präsentierten Serviceangebote: Welche der Services sind also eher gewünscht als andere und sollten in Zukunft angeboten werden? Da diese Fragestellung in die Zukunft zielt, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es keinen Sinn macht, in der Befragung lediglich die bestehenden Bibliotheksservices zu berücksichtigen. Es geht schließlich um eine Verbesserung des Servicespektrums durch die Implementierung neuer Dienstleistungen. Aber: Es kann natürlich sehr wohl Sinn machen, gerade den Vergleich zwischen bereits bestehenden und völlig neuen Services zu wagen. Betrachten wir z.B. den Bereich der Orientierung und Benutzerführung in einer Bibliothek. Hier wäre es u.U. interessant, neue mögliche Services in diesem Bereich (z.B. in Form eines interaktiven Leitsystems oder einer verbesserten Beschilderung) als Alternativen gegenüber dem derzeitigen Ist-Zustand anzubieten. Bei einer Conjoint-Analyse gemäß der ProSeBiCA zugrunde liegenden Konzeption entspricht ein Dienstleistungsbereich einem Merkmal des Gesamtdienstleistungsangebots einer Bibliothek. Ein solches Merkmal kann z.B. die erwähnte Orientierung/Benutzerführung sein oder aber auch die Buchrückgabe oder die Artikel-Fernleihe. Jedes einzelne Merkmal kann dabei auf unterschiedliche Art und Weise realisiert werden. Diese unterschiedlichen Varianten/Formen eines Merkmals bezeichnet man als Ausprägungen des Merkmals. Ziel ist es, den „tatsächlichen“ Nutzenbeitrag der einzelnen Merkmalsausprägungen (hier: Teilnutzenwert) im Hinblick auf den Nutzen der Bibliotheksleistungen als Ganzes zu bestimmen. Also:

Merkmal = Dienstleistung(sbereich)
Ausprägungen = Unterschiedliche Varianten/Formen eines Merkmals
Teilnutzenwerte = Nutzen, den die einzelnen Ausprägungen eines Merkmals dem Probanden spenden


2. Festlegung der Merkmale und Merkmalsausprägungen

Die oben dargestellte Ausrichtung auf die zukünftige Angebotsstruktur der Bibliothek setzt voraus, dass man die „richtigen“ Services identifiziert hat, die zukünftig für Bibliotheken von Interesse sein oder sogar Standard werden könnten. Hierzu ist es erforderlich, diese neuen Möglichkeiten, Trends, technischen Neuerungen etc. im Vorhinein zu identifizieren. Für diesen Prozess der Ideengenerierung bieten sich folgende Scanning-Möglichkeiten an:

- Workshops mit Bibliotheksmitarbeitern zur Identifikation und/oder Entwicklung neuer Services

- Sichtung von Fachzeitschriften, Mailing-Listen, Internetseiten, Datenbanken etc. aus dem informationstechnologischen oder bibliothekarischen Umfeld

- Sichtung von strategischen Positionspapieren größerer Bibliotheken

Um den Aufwand für den Prozess der Ideengenerierung auf einem vertretbaren Niveau zu halten, empfiehlt sich die Suche in der hierfür auf dieser Website angebotenen Serviceideen-Datenbank. Sie enthält die 260 in der Anfangsphase des Projekts ProSeBiCA zusammengetragenen oder selbst entwickelten Ideen sowie die neueren Ideen anderer Arbeitsgruppen. Wir würden uns freuen, wenn Sie Serviceideen, die Sie hier bisher nicht vorgefunden haben, aber für relevant erachten, auch anderen Nutzern zur Verfügung stellen würden, indem Sie Ihren Vorschlag mittels des hierfür ebenfalls bereitgestellten Eingabeformulars in die Ideen-Datenbank einbringen.

In der nachfolgenden Abbildung sind – in exemplarischer Weise – vier Merkmale und deren mögliche Ausprägungen aus einer Conjoint-Befragung an öffentlichen Bibliotheken (siehe Decker, Hermelbracht, Klocke (2005)) dargestellt. Dieses mittels einer traditionellen Conjoint-Analyse bearbeitete Beispiel berücksichtigt lediglich eine vergleichsweise kleine Anzahl an Merkmalen und Ausprägungen. Im Rahmen des ProSeBiCA-Projekts wurden hingegen Conjoint-Analysen mit bis zu 10 Merkmalen und teilweise 6 - 7 Ausprägungen durchgeführt. Bestimmte Varianten der Conjoint-Analyse erlauben die gleichzeitige Betrachtung von bis zu 30 Merkmalen. Insofern betrifft der nächste Schritt, sprich die Auswahl des Conjoint-Analyse-Verfahrens, zumindest indirekt auch die Wahl der einzusetzenden Analyse-Software.


3. Auswahl des Conjoint-Analyse-Verfahrens und der Software

Wenn die Inhalte der Befragung feststehen, muss die Entscheidung über das einzusetzende Conjoint-Analyse-Verfahren getroffen werden. Dem Anwender steht hier eine Fülle an Verfahrensvarianten zur Verfügung, wobei sich in der Praxis nur wenige auf breiter Basis durchgesetzt haben. Drei der etablierteren Verfahren werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Um die Auswahlentscheidung in Bezug auf das anzuwendende Verfahren treffen zu können, ist es zunächst einmal wichtig, sich über den notwendigen Umfang der Untersuchung bzw. die Anzahl der zu integrierenden Merkmale und Merkmalsausprägungen klar zu werden. Sind nur wenige Merkmale (bis zu sechs) zu betrachten, so kann die traditionelle Conjoint-Analyse (TCA) oder aber auch die Choice-Based Conjoint-Analyse (CBC) zur Anwendung kommen. Werden dagegen viele (d.h. mehr als sechs) Merkmale betrachtet, so stößt die TCA an die Grenzen einer effizienten Nutzung. Für die Behandlung solcher Analysekonstellationen hat sich die Adaptive Conjoint-Analyse (ACA) durchgesetzt. Neuere Entwicklungen der Conjoint-Analyse konzentrieren sich auf die Integration von Auswahlinformationen und die Unsicherheit bei der Schätzung der Teilnutzenwerte. Die CBC kann auch noch für bis zu 10 Merkmale mit jeweils bis zu 5 Ausprägungen empfohlen werden. Der Messvorgang impliziert hier die Beantwortung entsprechender Auswahlfragen, auf deren Basis dann wieder die Teilnutzenwerte bestimmt werden. Im ProSeBiCA-Projekt wurde die ACA für die Bewertung von insgesamt 37 Merkmalen mit insgesamt 117 Ausprägungen, die aus den entsprechenden Berichten (ACA-Bielefeld und ACA-Cottbus) ersichtlich sind, für die kurz- und mittelfristige (operative) Planung des Leistungsangebots der betreffenden Bibliotheken benutzt. Für die Optimierungsüberlegungen auf strategischer Ebene kam hingegen die CBC zum Einsatz, und zwar mit insgesamt sechs Merkmalen und 16 Ausprägungen (siehe CBC-Bericht). Bei der oben erwähnten Studie an öffentlichen Bibliotheken kam (wie bereits erwähnt) die TCA mit vier Merkmalen und insgesamt 10 Ausprägungen zur Anwendung.

Mit der Auswahl des Conjoint-Analyse-Verfahrens hängen auch verschiedene Entscheidungen in Bezug auf die weiteren Ablaufschritte der Conjoint-Analyse, respektive die Wahl des Präferenzmodells, des Erhebungsdesigns und des Befragungsmediums zusammen. Da sich der Anwender mit vielen dieser Einzelschritte nicht unmittelbar beschäftigen wird, werden sie hier nicht näher thematisiert. Jedem an einer Conjoint-Analyse Interessierten ist im Vorfeld die Auseinandersetzung mit einführender Conjoint-Literatur zu empfehlen (z.B. die entsprechende Darstellung in Backhaus, Erichson, Plinke, Weiber (2006): Multivariate Analysemethoden, 11. Aufl., Berlin, Springer).

Für die effiziente praktische Durchführung einer Conjoint-Analyse ist die Verfügbarkeit einer geeigneten Software mit einem entsprechenden Funktionsapparat erforderlich. Im Projekt ProSeBiCA wurden z.B. für die ACA und die CBC die betreffenden Software-Module der Firma Sawtooth Software Inc. eingesetzt. Daneben besteht natürlich generell die Möglichkeit, die Durchführung der Untersuchung bei einem Marktforschungsunternehmen mit Conjoint-Expertise in Auftrag zu geben. In diesem Fall entfällt der Erwerb einer eigenen Conjoint-Software-Lizenz. Auch für die Durchführung einer TCA werden von verschiedenen Firmen einschlägige Softwarelösungen angeboten. Die an Hochschulen häufig im Rahmen von Landeslizenzen verfügbaren statistischen Software-Pakete (z.B. SPSS und SAS) bieten teilweise ebenfalls Conjoint-Module an. Über die genannten Alternativen hinaus ist es auf jeden Fall ratsam, sich auch über andere, aktuelle Entwicklungen auf dem Markt zu informieren.


4. Durchführung der Befragung

Hat man sich für ein Conjoint-Analyse-Verfahren entschieden, so kann die Implementierung und Durchführung der Befragung in Angriff genommen werden. Grundsätzlich kommen hier zwei alternative Formen der Durchführung in Frage, nämlich über die Internetseite der Bibliothek in Form einer Online-Befragung oder aber in Form eines konventionellen, gedruckten Fragebogens. Hat man sich für die Durchführung einer ACA entschieden, so kommt aufgrund der Adaptivität des Verfahrens, die in der laufenden Anpassung der jeweils nächsten Fragen an das Antwortverhalten der Befragten zum Ausdruck kommt, faktisch nur die Online-Variante in Frage. Bei ProSeBiCA wurde für die ACA das entsprechende Modul von Sawtooth Software eingesetzt. Dieses bietet eine ganzheitliche Plattform zur Durchführung von Online-Befragungen, wodurch sich die zusätzliche Programmierung eines Online-Fragebogens erübrigt. Eine allgemeine Beschreibung des Ablaufs einer ACA, wie sie im Kontext des ProSeBiCA-Projekts zum Einsatz kam, kann unter folgendem Link eingesehen werden. Die nachfolgende Abbildung gibt einen Screen-Shot aus der ACA-Befragung an der Universität Bielefeld im Rahmen des ProSeBiCA-Projektes wieder. Ein exemplarischer Datensatz, der bei Verfügbarkeit der ACA-Software als erste Orientierungshilfe verwendet werden kann, kann interessierten Bibliotheken auf Anfrage (Kontakt) zugesandt werden.

Auch eine CBC-Befragung kann sowohl online als auch papiergestützt durchgeführt werden. Für ProSeBiCA wurde auf Basis der lizenzierten Sawtooth Software eine komplett computergestützte Lösung gewählt, die sich von der Erstellung des Fragebogens über die Durchführung der Befragung bis zur Auswertung der Ergebnisse erstreckte (Beschreibung des allgemeinen Ablaufs). Eine im Rahmen des ProSeBiCA-Projektes eigens erstellte Datei für einen Online-CBC-Fragebogen steht interessierten Bibliotheken ebenfalls auf Anfrage (Kontakt) zur Verfügung. Mit dieser wurde auch die folgende CBC-Befragung erstellt.

Auch eine traditionelle Conjoint-Analyse (TCA) kann sowohl mittels eines gedruckten Fragebogens als auch eines Internet-Fragebogens durchgeführt werden. Bei der Erstellung des Erhebungsdesigns sollte auch hier auf einschlägige Statistiksoftware zurückgegriffen werden. Im Rahmen der bereits erwähnten, das ProSeBiCA-Projekt begleitenden Studie am Lehrstuhl für BWL, insb. Marketing zu öffentlichen Bibliotheken wurden zur Durchführung der TCA die Software-Pakete SPSS und SAS eingesetzt. Weiterführende Beschreibungen zur Conjoint-Analyse sind sowohl für SAS als auch für SPSS verfügbar. Für eine Implementierung als Online-Befragung gelten dann die gleichen Schritte und Anforderungen wie bei jeder anderen Online-Befragung. Hierbei ist auf eine sichere Speicherung und Aufbewahrung der erhaltenen Daten zu achten.


5. Eingabe der Daten

Da die Datenerhebung im ProSeBiCA-Projekt sowohl für die ACA als auch für die CBC ausschließlich online erfolgte, konnten die Daten direkt im benötigten Format für die weiteren Auswertungen vom Server heruntergeladen werden. Bei einer papiergestützten TCA- oder CBC-Erhebung müssen die Antworten hingegen entsprechend eines zuvor festzulegenden Kodierbogens erfasst werden. Eine Datei, die beispielhafte Daten für die bereits angesprochene TCA-Befragung an öffentlichen Bibliotheken in SPSS enthält, kann hier heruntergeladen werden.


6. Auswertung der Daten

Die Auswertung der Daten bildet den nächsten Schritt bei der Durchführung einer Conjoint-Analyse. Die Berechnung der Teilnutzenwerte erfolgte im ProSeBiCA-Projekt für die ACA mittels SSI Web von Sawtooth Software und für die CBC mit dem SMRT-Programm sowie dem Programm für HB-Schätzungen von Sawtooth Software. Für die TCA im Falle des Beispiels mit den öffentlichen Bibliotheken kamen die entsprechenden Prozeduren in SPSS und SAS zum Einsatz. Für alle genannten Software-Lösungen wird in den zugehörigen Dokumentationen detailliert erklärt, wie die Schätzung der Teilnutzenwerte im Einzelnen erfolgt und welche Einstellungen hierbei vorgenommen werden können. Diese teilweise sehr aufwendigen Erläuterungen sollen im Interesse einer thematischen Fokussierung des Leitfadens hier nicht noch einmal wiederholt werden.

Im Anschluss an die Schätzung der Teilnutzenwerte stehen normalerweise individuelle (d.h. probandenspezifische) Ergebnisse zur Verfügung. Diese müssen dann für die weiteren Interpretationen in geeigneter Weise aggregiert werden. Basierend auf den Erfahrungen aus dem ProSeBiCA-Projekt können wir die Betrachtung von drei Aggregationsebenen empfehlen. Die empirischen Ergebnisse aus den Befragungen in Bielefeld und Cottbus sind unter den entsprechenden Verlinkungen im Bereich Ergebnisse zu finden. Zunächst handelt es sich hierbei um die Aggregation über alle Probanden hinweg. Zu diesem Zweck können im einfachsten Fall die Mittelwerte über die einzelnen Teilnutzenwerte betrachtet werden. Dies liefert erste Informationen über die Richtung der Antworten und das grundsätzliche Meinungsbild in Bezug auf die betrachteten Bibliotheksdienste. Ist man darüber hinaus an Unterschieden zwischen bestimmten, im Voraus festgelegten Nutzergruppen (sog. "Apriori-Gruppen") interessiert, so können deren Gruppenmittelwerte zueinander in Beziehung gesetzt werden. Im ProSeBiCA-Projekt war die Abgrenzung von Studierenden, Wissenschaftlern und Externen von Bedeutung. Sehr aufschlussreich ist zumeist auch die Differenzierung von Personengruppen mit ähnlichen Präferenzen, da diese u.U. gezielt mit entsprechenden Angeboten angesprochen bzw. für diese sensibilisiert werden können. Diese so genannte Benefit-Segmentierung musste im vorliegenden Fall nachträglich in die für die Auswertung herangezogene Software integriert werden. Das Ergebnis einer solchen Analyse für die Befragung an öffentlichen Bibliotheken ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Die einzelnen Gruppen haben nicht nur sehr unterschiedliche inhaltliche Präferenzen, sondern sind aufgrund ihrer Größe auch in unterschiedlichem Maße für die zukünftige Service-Planung von Bedeutung. Ein exemplarischer SAS-Code für die Durchführung einer Benefit-Segmentierung kann auf Anfrage (Kontakt) bereitgestellt werden.

Cluster 1: Traditioneller Nutzer
- Nutzung der Bibliothek zur Literatursuche
und Ausleihe sowie als Lese- und
Kommunikationsraum
- Präferenz für eine gemeinsame
Informationsbeschaffung mit dem Personal
- Bevorzugung von gedruckten Medien

Cluster 2: Medien-Allrounder
- Präferierte Nutzung zur Literatursuche und
Ausleihe sowie zusätzlich als Lese-, Lern-
und Arbeitsraum
- Ablehnung einer durch das Bibliotheksper-
sonal gestützten Informationsbeschaffung
- Angebot an gedruckten und nicht
gedruckten Medien von gleicher Bedeutung

 

Cluster 3: Zu-Hause-Leser
- Starke Bevorzugung der Bibliotheksnutzung in
Form der Literatursuche und Ausleihe
- Hohe Präferenz für eine selbstständige
Informationsbeschaffung
- Größere Bedeutung von gedruckten Medien

Cluster 4: Vor-Ort-Leser
- Präferenz für die Nutzung der Bibliothek als
Lese-, Lern- und Arbeitsraum
- Selbstständige Informationsbeschaffung und
gestützte Informationsbereitstellung
- Nicht gedruckte Medien stiften keinen Nutzen


7. Implikationen

Der letzte wesentliche Schritt einer Conjoint-Analyse besteht in der Ableitung entsprechender Implikationen. Die Conjoint-Daten können sowohl als Basis für eine Entscheidung zur Implementierung neuer Services als auch als Indikator für mögliche zukünftige Problembereiche dienen. Dabei muss die Entscheidung nicht zwangsläufig immer zugunsten der Einführung jenes Services führen, der im Vergleich zu den anderen Alternativen des betreffenden Servicebereichs am besten bewertet wurde. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch noch weitere, bei der Präferenzmessung nicht explizit erfasste Aspekte entscheidungsrelevant sind, etwa die gegenwärtig in Bezug auf den betreffenden Dienst verfügbaren Ressourcen. Ist die Implementierung eines bestimmten Services für die Bibliothek von strategischer Relevanz oder wird die Einführung beispielsweise aus Kostengründen als notwendig erachtet, so kann die schlechte Bewertung aber unter Umständen ein gewichtiger Indikator dafür sein, dass eine Einführung ohne entsprechende Sensibilisierungs-, Akzeptanzförderungs- oder Werbeaktionen an den Nutzern vorbeigeht und die Nutzung dementsprechend schlecht ausfallen wird. Eine Conjoint-Analyse ermöglicht zwar tendenzielle Aussagen über die spätere Nutzungswahrscheinlichkeit bzw. Akzeptanz eines bestimmten Services, sie kann dem Bibliotheksmanagement aber nicht die Entscheidung im komplexen Gesamtprozess der Serviceplanung abnehmen, zumal neben der – zweifellos wichtigen – Nutzerorientierung in aller Regel noch weitere kontextabhängige Aspekte in die jeweilige Entscheidung hineinspielen.

Einige Beispiele aus den Ergebnissen der Conjoint-Analyse an der Universität Bielefeld werden nachfolgend skizziert. Sie zeigen exemplarisch die unterschiedlichen Möglichkeiten der Interpretation und der praktischen Konsequenzen:

Online-Publishing-Portal: Das begutachtete Online-Publishing-Portal (mit Peer-Review-Prozess) und das offene Online-Publishing-Portal (ohne Peer-Review) zeigen in der Auswertung für alle Respondenten ähnlich hohe Präferenzwerte. Das Fehlen eines solchen Dienstleistungsangebots (Ausprägung: Kein Online-Publishing) ist dagegen in der Präferenzfolge weit abgeschlagen und damit für die Bielefelder Nutzerinnen und Nutzer keine wirkliche Option. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein solcher Service, wie auch immer er konkret gestaltet wird, von den Bibliothekskunden nicht nur gewünscht, sondern eigentlich schon erwartet wird. Damit erfahren die Aktivitäten der Bibliothek im Bereich der Neuausrichtung Wissenschaftliches Publizieren und Open Access an dieser Stelle eine deutliche Unterstützung auch seitens der Bibliotheksnutzer.

Herkömmliche Schulungen und Online-Tutorials: Beim Merkmal Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen wurden Online-Tutorials am meisten präferiert, dicht gefolgt von den herkömmlichen Schulungen. Dieses Ergebnis hat dazu geführt, dass nun neben rein virtuellen Angeboten (Tutorial zur Online-Recherche) auch eLearning-Module zur Ergänzung und Unterstützung herkömmlicher Schulungen entwickelt werden sollen.

Diskussionsräume: Dem Wunsch nach einer größeren Anzahl an Diskussionsräumen (Priorität 1) und auch besser ausgestatten Diskussionsräumen (Priorität 2) innerhalb der Bibliothek wurde entsprochen: Es konnten seither bereits mehrere neue Diskussionsräume geschaffen werden. Zwei der bisherigen Diskussionsräume wurden darüber hinaus in Zusammenarbeit mit dem Hochschulrechenzentrum und dem Audiovisuellen Zentrum der Universität mit Smartboards ausgestattet.

Mobile abschließbare Tischapparate: Annähernd gleich bewertet wie die Ausprägung Lernkabinen und nur übertroffen vom derzeitigen Standardangebot an Tischarbeitsplätzen sind die mobilen Tischapparate (letzter Platz: Trennwände zwischen den Tischen als Compartiments). Die Bewertung zeigt den deutlichen Wunsch nicht weniger Nutzer nach abschließbaren Arbeitsplätzen innerhalb der Bibliothek. Die derzeit angebotenen Tischarbeitsplätze bieten diese Möglichkeit zur Zeit noch nicht, weshalb nun nach kostengünstigen Möglichkeiten für eine teilweise zu realisierende Umsetzung gesucht wird. Die Ausstattung muss dabei nicht flächendeckend erfolgen, da die Untersuchung ergeben hat, dass nur eine bestimmte Nutzergruppe aus der Gesamtstichprobe diesen Service präferiert.

eBooks: Die Bereitstellung von eBooks wurde in der Untersuchung vergleichsweise gering präferiert. So befindet sich das Angebot von eBooks bezogen auf alle Nutzergruppen im mittlerem bis unteren Präferenzbereich der Probanden (die Erweiterung des gedruckten Medienbestandes sowie die Erweiterung des digitalen Medienbestandes und die Ausprägung Online Semesterapparate liegen noch vor der Ausprägung eBooks; Lernsoftware und der Aufbau eines Radioarchives wurden hingegen weniger präferiert). Die Bereitstellung von eBooks ist in Bielefeld zwischenzeitlich auf Fakultätswunsch erfolgt und wird auch seitens der Bibliothek aus strategischen Gründen und mit Blick auf die informationstechnologische Entwicklung zukünftig weiter ausgebaut werden. Aufgrund der Ergebnisse der Conjoint-Untersuchung sollte hier ein verstärkter Einsatz akzeptanzfördernder Maßnahmen erfolgen.

Wasserspender: Das sehr gute Abschneiden der alternativen Ausprägung Wasserspender beim Merkmal Entspannung in der Bibliothek wurde aufmerksam registriert. Da jedoch im Rahmen einer universitären Umgestaltungsmaßnahme parallel zur Durchführung der Conjoint-Analyse gerade zwei Cafes direkt vor den Eingängen der Bibliothek eröffnet wurden, wurde eine Implementierung von Wasserspendern innerhalb der Universitätsbibliothek zur Vermeidung eines Überangebotes vorerst nicht weiter verfolgt.

 
   
     
     
     
     
     
   
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